Neuordnung der Welt
Eine globale Pandemie, verschiedene geopolitische Spannungen, Kriege, Handelskonflikte, Abstrafung von amtierenden Regierungen und ein zunehmender Protektionismus: Eine Krise jagt die nächste. Die Welt scheint seit Jahren im Ausnahmezustand. Und sie bleibt unruhig. Mit Donald Trump kehrt ein weiterer unberechenbarer Magistrat auf die Weltbühne zurück. Konservative politische Kräfte sowie strukturelle Trends ordnen die Welt neu. Vollzieht die Weltwirtschaft nach Jahren der Prosperität nun die Rolle rückwärts oder erfährt sie trotz allem neuen Schub?
Nach zwei sehr erfreulichen Jahren an den Finanzmärkten startet das Börsenjahr 2025 mit vielen offenen Fragen: Wie entwickelt sich die geopolitische Lage in Osteuropa oder im Nahen Osten? Welche Auswirkungen hat die Wahl von Donald Trump auf die globalen Märkte? Wie entwickelt sich der Welthandel im Falle eines Handelskrieges zwischen den USA und China oder zwischen den USA und Europa? Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die Gewinnsituation der Unternehmen aus? Der Ausblick ist ungewiss. Das Schlüsselwort heisst Unsicherheit. Sie ist schwer zu messen und letztlich stark von subjektiver Wahrnehmung geprägt. Dennoch ist sie da. Im Anlagekontext liegt eine Annäherung an dieses abstrakte Gefühl in der Betrachtung der Schwankungen am Aktienmarkt. Mit dem Volatilitätsindex steht ein bewährtes Mass zur Verfügung. Aktuell ist die Volatilität des Aktienmarkts so niedrig wie zuletzt vor der Corona-Pandemie. Ein ganz anderes Bild zeigt der Global Economy Policy Uncertainty Index. Dieser misst die Unsicherheit auf Basis von Nachrichtenartikeln und signalisiert aktuell eine höhere Unsicherheit als während der Finanzkrise 2008. Betrachtet man Konsumentenumfragen – wiederum ein anderer Ansatz –, zeigten diese in den letzten Monaten einen stetigen Anstieg im Konsumentenvertrauen. Aus den verschiedenen Blickwinkeln ergibt sich derzeit ein sehr unterschiedliches Bild. Unsicherheit wird eher medial wahrgenommen, als dass sie sich tatsächlich auf breiter Ebene in Handlungen manifestiert. Dies verdeutlicht die Rolle von Psychologie und Narrativen in der Marktdynamik. Was langfristig für den Wohl- stand und den Vermögensaufbau aber zählt, ist die Verfassung der Wirtschaft.

«Je nach Messmethode ergibt sich ein unterschiedliches Bild für Unsicherheit.»
Langfristig spiegelt der Aktienmarkt das Wachstum der weltweiten Wertschöpfung in Form des Bruttoinlandsprodukts. Im Gegensatz zur stabilen und stetigen Entwicklung der Wertschöpfung ist der Aktienmarkt wesentlich volatiler. Ereignisse wie geopolitische Spannungen, wirtschaftspolitische Entscheidungen oder unerwartete Krisen können zu starken Schwankungen führen, auch wenn die wirtschaftlichen Fundamentaldaten stabil bleiben. Diese Unsicherheiten verlieren jedoch mit der Zeit an Bedeutung. Langfristig ist die Gewinnentwicklung der Unternehmen entscheidend für eine positive Performance.
Rückblickend zeigt sich, dass globale Einbrüche in der Wirtschaftsleistung – wie etwa während der Finanzkrise 2008 oder der Corona-Pandemie – nicht die Norm sind. In der Regel bleibt die globale Wirtschaftsleistung stabil, auch wenn einzelne Regionen in eine Rezession geraten. Die Weltwirtschaft gleicht in dieser Hinsicht einem breit diversifizierten Portfolio: Ein Rückgang in einem Teilbereich wird oft durch Wachstum in anderen Bereichen ausgeglichen.
Derzeit steht es trotz aller Widrigkeiten und Unsicherheiten nicht schlecht um die weltweite Wirtschaftsentwicklung. Das globale Zugpferd sind die USA. Sie entwickeln sich weiterhin erstaunlich robust. Andere Regionen wie Europa oder auch China kämpfen mit fundamentalen Problemen – vielfach hausgemacht. Die USA profitieren immer noch von substanziellen fiskalpolitischen Stimuli aus der Corona-Pandemie, die die heimische Wirtschaft stark vorantrieben. Aber auch Verschiebungen in der Wirtschaftsstruktur kamen ihr zugute. Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich die US-Wirtschaft praktisch neu erfunden. Das Land ist nicht nur zum grössten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen. Amerikanische Technologieunternehmen haben durch schnelle und disruptive Fortschritte eine starke globale Dominanz erlangt. Die europäische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren kaum verändert und ist nach wie vor durch einen hohen Industrieanteil gekennzeichnet. Diese Divergenz spiegelt sich in der globalen Wertschöpfung und im Aktienmarkt wider.
Weltweite Wertschöpfung und Aktienmärkte gehen Hand in Hand

USA – quo vadis?
Hohe Zölle, Deregulierung, Kosteneinsparungen im Staatsapparat, Abschiebung illegaler Einwanderer, niedrige Energiekosten und niedrigere Steuern: So liest sich das politische Programm des neuen und alten US-Präsidenten Donald Trump. Zudem verfügt er wie kein früherer Präsident zuvor in sechs relevanten Positionen (Präsidentschaft, Senat, Repräsentantenhaus, Oberster Gerichtshof, Parlamente und Gouverneure der Bundesstaaten) über die grösste Machtbasis. Während in der medialen Wahrnehmung vor allem die hohen Zölle wahrgenommen werden, liegt der eigentliche Hebel in den geplanten Steuersenkungen. Sie sollen nach der berühmten Laffer-Kurve Wohlstand schaffen – ein Konzept, das bereits in den 80er-Jahren unter dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan erfolgreich angewandt wurde und das amerikanische Steuersystem revolutionierte. Durch starkes Wachstum sollen insgesamt mehr Steuereinnahmen generiert werden. Das Vorhaben und die Voraussetzungen klingen spektakulär. Was kann hier schiefgehen?
Nun, es gibt einige Argumente, die gegen eine erfolgreiche Umsetzung sprechen. Ein zentrales Thema im Wahlkampf des US-Präsidenten war die Einführung oder Erhöhung von Zöllen, insbesondere auf chinesische Produkte. Ob solche Zölle in der angedrohten Höhe eingeführt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist: Aus ökonomischer Sicht bringen Zölle konjunkturelle Herausforderungen mit sich. Höhere Importkosten belasten die Unternehmensgewinne oder führen zu höheren Preisen für die Verbraucher. Letzteres könnte die Inflation in den USA wieder anheizen. Unternehmen mit begrenzter Preissetzungsmacht verlieren Margen, was die wirtschaftliche Dynamik in den USA dämpft. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht die Risiken einer aggressiven Zollpolitik. Die Einführung der Smoot-Hawley-Zölle durch US-Präsident Herbert Hoover im Jahr 1930, die Importe von mehr als 20 000 Produkten verteuerten, führte zu einem dramatischen Einbruch des Welthandels und verschärfte die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Andere Länder reagierten mit Vergeltungsmassnahmen und errichteten eigene Handelsbarrieren, die den Welthandel lähmten. Ähnliche Entwicklungen spielen sich heute schon ab: So hat China kürzlich Untersuchungen gegen den amerikanischen Chiphersteller Nvidia wegen angeblicher Verstösse gegen das Antimonopolgesetz angekündigt.
Gewiss ist, dass Zölle durch die neue Administration als Drohinstrument eingesetzt werden: Unternehmen, die Zugang zu den USA als einem der grössten Absatzmärkte möchten, sollen mit Zöllen gezwungen werden, vor Ort zu produzieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Dass dieses Vorhaben nicht so einfach ist, zeigt das Beispiel von Taiwan Semiconductors. Eine Produktionsstätte ist schnell errichtet, aber die nötigen Fachkräfte fehlen vor Ort. Das Unternehmen fliegt bis heute bevorzugt taiwanesische Arbeitskräfte ein. Auch die Geschäftssprache ist Mandarin.
Auch die geplante Abschiebung illegaler Einwanderer birgt wirtschaftliche Risiken. Im Baugewerbe und in der Landwirtschaft stellen sie mehr als ein Zehntel der Arbeitskräfte. Günstige noch dazu. Ein rigoroses Vorgehen könnte nicht nur Engpässe und Verzögerungen verursachen, sondern auch das Wirtschaftswachstum bremsen und den Inflationsdruck erhöhen. Die Inflation liegt in den USA nach wie vor über dem Zielwert.
Die durch die neue Trump-Administration geplanten wirtschaftspolitischen Massnahmen bergen für die globale Wirtschaftsentwicklung nicht nur hohe Unsicherheiten. Makroökonomisch stellen sie ein Horrorszenario dar – insbesondere für die Preisstabilität. Im September hielt die Fed das Inflationsniveau für tragfähig und leitete einen Zinssenkungszyklus ein. Seitdem hat sie die Leitzinsen um ein Prozent gesenkt. Ein Blick auf die Zinslandschaft offenbart aber ein untypisches Bild: Die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen steigen entgegen den üblichen Mustern nach dem ersten Zinsschritt.
Die längerfristigen Zinsen spiegeln die Markterwartungen wider. Die Marktteilnehmer erachten den Inflationsdruck weiterhin als problematisch. Sollte sich diese Einschätzung bestätigen, könnte die Fed gezwungen sein, ihren Kurs erneut zu ändern, was die wirtschaftspolitischen Ambitionen der Trump- Administration erheblich belasten würde. Denn höhere Zinsen bremsen das Wirtschaftswachstum. Zudem würden sie die ohnehin hohe Schuldenlast des Landes weiter belasten. Denn die Ablösung bestehen der Schulden erfolgt zu einem höheren Zins. In einer solchen Situation wären Sparmassnahmen die wirksamste Lösung, um die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen wiederherzustellen. Der politische Wille dürfte hier fehlen. Beides – niedrigere Steuereinnahmen und potenziell steigende Zinsen – würde das hohe Haushaltsdefizit weiter verschärfen. Das Thema Zinsen und Inflation wird uns auch in diesem Jahr begleiten.
Ungewöhnliche Zinsentwicklung

Chancen im Umbruch
Die Welt ist im Umbruch. Disruptive technologische Fortschritte und konservative politische Kräfte ver- ändern die globalen Machtverhältnisse tiefgreifend. Unsicherheit dominiert zwar die Schlagzeilen und das verunsichert verständlicherweise. Doch langfristig sind es die grossen Linien, die zählen. Märkte und Unternehmen suchen immer wieder nach einem neuen Gleichgewicht. Sobald dieses wiederhergestellt ist, prosperieren die Märkte wieder in der Breite und eröffnen Chancen für ein robustes Wachstum, das sich auch in der Performance positiv widerspiegelt. Auch wenn sich die Welt derzeit tiefgreifend verändert, sind es letztlich Unternehmen, die aus diesen Entwicklungen Produkte und Dienstleistungen erschaffen. Nicht alle Unternehmen werden erfolgreich sein. Doch es gibt sie – jene Firmen, die sich unabhängig vom Umfeld durch Innovation, starke Marktstellung und Resilienz auszeichnen und Anlegern konstant einen Mehrwert bieten. Krisen mögen Märkte kurzfristig prägen, doch die Geschichte zeigt: Es sind die strukturellen Entwicklungen und erfolgreichen Unternehmen, die am Ende den Unterschied machen. Die Essenz einer erfolgreichen Vermögensverwaltung liegt darin, diese Unternehmen frühzeitig zu identifizieren und gezielt ins Portfolio aufzunehmen. Langfristig geht es darum, ein robustes Fundament zu schaffen, das trotz geopolitischer Turbulenzen und wirtschaftlicher Herausforderungen einen soliden Vermögensaufbau ermöglicht.