Kauflaune und Rekordstände
Das erste Börsenquartal ist durch. Weltweit erreichten verschiedene Aktienindizes neue Rekordwerte. Der Technologiesektor nimmt eine Vorreiterrolle ein. Doch auch andere Sektoren erzielten neue Bestmarken. Anleger stellen sich verständlicherweise die Frage: Lohnt sich der Einstieg noch oder ist die Luft draussen? Die Frage ist in der langen Perspektive nicht wirklich relevant.
Weltweit bewegen sich in diesem Jahr die Aktienkurse mehrheitlich nur in eine Richtung: aufwärts. So stellten die wichtigsten Aktienindizes wie der S&P 500, der Dow Jones, der DAX oder der Nikkei im Verlauf der ersten drei Börsenmonate dieses Jahres immer wieder neue Rekordwerte auf. Dabei ist die Aktien-Hausse stark vom Technologiesektor und der Hoffnung durch Künstliche Intelligenz getrieben. Doch die neuen Bestmarken sind allmählich immer breiter abgestützt, als dies die gegenwärtige Berichterstattung in vielen Medien vermuten liesse. Neben dem Technologiesektor befinden sich in den USA die Sektoren Health Care, Materials, Industrials, Financials und Communication Services 6 der insgesamt 11 Subkomponenten des S&P 500 auf einem Rekordhoch. Grosse Kurszuwächse wurden zuletzt aus einem breiten Universum an Unternehmen aus verschiedensten Branchen erzielt. Befeuert wird die positive Dynamik auch durch die Hoffnung baldiger Zinssenkungen. Am Schweizer Aktienmarkt liegen wir noch weit von neuen Rekordwerten entfernt. Das liegt vor allem am eher defensiven Charakter Schweizer Unternehmen. Gerade in Phasen der Aufwärtsbewegung vermögen viele mit der globalen Entwicklung nicht mitzuhalten.
"Time in the Market beats Timing in the Market"
Nach der erfreulich positiven Entwicklung an den Aktienmärkten lautet die Frage nun, ob die Aktienkurse auch in den nächsten Monaten weiter steigen werden oder ob bald eine Kurskorrektur eintrifft. Da sind wir nun bei der ominösen Glaskugel, die noch niemand gefunden hat. Ohne Glaskugel wird die Beantwortung dieser Frage schwierig. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt erstaunliches: Stellen wir uns hierfür zwei verschiedene Anleger vor, die regelmässig einen Betrag in den amerikanischen Aktienmarkt investiert hätten. Der eine ist ein wahrer Unglücksrabe und investierte – natürlich unwissentlich – immer dann, wenn der Aktienindex ein zwischenzeitliches Hoch erreicht hatte (in der Abbildung in Rot dargestellt). Der andere scheint über die erwähnte Glaskugel zu verfügen und investierte immer in Zwischentiefs (in Grün dargestellt). Angenommen beide Anleger hätten ihre Strategie im Zeitraum von 1980 bis heute nicht geändert, resultierte für den Unglücksraben eine durchschnittliche jährliche Performance von 5.88%. Der «Glückspilz», der – natürlich auch unwissentlich – immer zum zwischenzeitlich tiefsten Kurs investierte, erzielte eine jährliche Performance in der Höhe von 6.64%.
Je länger der Anlagehorizont, desto irrelevanter wird der Einstiegszeitpunkt
Performance p.a. bei bestem (grün) und schlechtestem Timing (rot) im S&P 500
Quellen: SIX Telekurs, Cronberg Asset Management
Der kritische Beobachter mag nun zu Recht einwenden, dass der Investor mit der Glaskugel im Vergleich mit dem Unglücksraben dennoch eine höhere jährliche Performance erwirtschaftet hat. Doch erstens sind Rekordstände erst rückblickend ersichtlich und zweitens liegt die jährliche Performance noch höher, hätte ein Anleger seit 1980 nie versucht, den Markt zu timen, indem er zu Beginn einmalig einen Betrag investiert hätte. Die durchschnittliche jährliche Performance läge dann nämlich bei rund 9%. «Time in the Market beats Timing the Market» heisst ebenfalls eine bekannte Börsenweisheit. Anstatt auf den perfekten Zeitpunkt zu hoffen, ist es effektiver, einen langfristigen Ansatz zu verfolgen. Damit relativiert sich nicht nur die Frage des Einstiegszeitpunkt. Je länger die Investitionsdauer, desto mehr reduziert sich die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts insgesamt.
Starke Wirtschaft, starke Performance
An der Börse wird die Zukunft gehandelt und damit Erwartungen über die künftige Gewinnentwicklung der Unternehmen. Entscheidender als die Frage des bestmöglichen oder gar perfekten Einstiegspunktes, ist neben dem Anlagehorizont auch die Frage der Verfassung der Wirtschaft. Und diese präsentiert sich global erstaunlich robust – insbesondere in den USA. Das spricht für Risikoanlagen wie Aktien. Sollten in diesem Jahr auch die amerikanische und die europäische Notenbank mit der Senkung der Leitzinsen beginnen, könnten die Aktienmärkte weiter Aufwind erhalten. Bei einer verfrühten Zinssenkung besteht allerdings auch das Risiko einer wieder aufflammenden Teuerung. Doch auch hier bieten Aktien als Realwerte Inflationsschutz. Erst wenn die Finanzierungskonditionen durch weitere Leitzinserhöhungen enger würden und die Rezessionsrisiken steigen, ist erhöhte Vorsicht geboten. Ein bewährtes, vorbeugendes Rezept lautet hier: Diversifikation – also die Verteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen und innerhalb dieser Anlageklassen auf verschiedene Titel. Das hilft mögliche Kurskorrekturen in einem Segment mit einem anderen aufzufangen.
Alessandro Sgro, Chief Investment Officer