Der Preis des Wartens

Das Streben nach dem perfekten Einstiegszeitpunkt an den Finanzmärkten kann für viele Anleger zu einem ärgerlichen Hindernis werden. Oftmals führt diese Herangehensweise dazu, dass unnötigerweise eine schöne Performance verpasst wird. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht im Warten auf den perfekten Moment, sondern im Handeln und langfristigen Denken.

 

Heftige Kurseinbrüche an den Finanzmärkten, wie im vergangenen Jahr, verängstigen Anleger verständlicherweise. Obwohl bekannt ist, dass die Investition in Wertschriften langfristig den höchsten Ertrag bringt und damit finanzielle Ziele am besten erreicht werden können, zögern viele vor dem Einstieg. Niemand möchte den falschen Zeitpunkt erwischen. Der Gedanke genau am Vorabend eines breiten Kurszerfalls sein Vermögen zu investieren, hemmt.

Doch auch dieses durch Emotionen getriebene Verhalten hat seinen Preis. Das Verpassen der besten Tage einer Rally kann teuer zu stehen kommen. Ein Anleger, der 1987 rund CHF 10'000.- in den Schweizer Aktienmarkt investiert hätte, dürfte sich heute bei einer Investition ohne Unterbruch über einen Betrag in der Höhe von CHF 141’179.- erfreuen. Das entspricht einem Faktor von 14.

Hätte dieser Anleger im selben Zeitraum – aufgrund des Versuchs, den Markt zu timen – nur schon die zehn besten Börsentage verpasst, würde nur noch halb so viel Gewinn resultieren, wie wenn er im gesamten Zeitraum investiert geblieben wäre. Je mehr Tage verpasst werden, desto grösser ist der Effekt. Beim Verpassen der besten 60 Tage resultiert gerade noch ein Betrag von CHF 10'414.- und damit knapp etwas mehr als der ursprüngliche Investitionsbetrag.

 

Verpassen der besten Tage führte zu deutlich weniger Wertzuwachs

Beispiel: Investition von CHF 10'000.00 in den Schweizer Aktienmarkt seit dem Jahr 1987:

 

Bemerkenswert: Während dieser Zeitspanne erfolgten mit der Russland-Krise im Jahr 1998, der Dotcom-Blase nach der Jahrtausendwende, der Finanzkrise 2008, der Euro-Schuldenkrise 2012, der Corona-Pandemie oder der letztjährigen starken Zinswende sechs sehr heftige und weitere viel schwächere Kurseinbrüche.

Täglich, ja stündlich oder gar im Minutentakt, erscheinen neue Informationen über die Konjunkturlage oder über einzelne Unternehmen, die einmal besser oder schlechter ausfallen und die Finanzmärkte immer in irgendeiner Form beeinflussen.

Die Finanzmärkte sind sehr komplexe und dynamische Systeme. Sie reagieren nicht selten überraschend heftig. Doch ehe man sich versieht, befinden sie sich bereits wieder im langfristigen Aufwärtstrend. Und meist hat man dabei die besten Tage schon wieder verpasst, wenn man versucht hat den Markt zu timen.

 

Faktor Zeit und Disziplin

Der wichtigste Faktor beim Investieren ist oft nicht der Einstiegszeitpunkt, sondern die Zeit im Markt. Langfristige Investoren, die breit diversifiziert sind und dabei in stabile und solide Unternehmen mit einem einzigartigen Geschäftsmodell investieren, profitieren vom Potenzial des Zinseszinseffekts.

Nehmen wir nochmals an, Anleger A investiert für 30 Jahre CHF 10'000.- in den Schweizer Aktienmarkt, mit einer durchschnittlichen jährlichen Performance zwischen 7 und 8%, während Anleger B erst nach 10 Jahren investiert. Obwohl Anleger B vielleicht einen auf den ersten Blick «perfekten» Einstiegszeitpunkt erwischt, wird Anleger A am Ende dennoch einen deutlich höheren Kontostand haben, weil er die Zeit im Markt besser und länger genutzt hat.

Der Versuch, den Markt zu timen, beruht oft auf emotionalen Reaktionen auf aktuelle Ereignisse oder Nachrichten. Verlustangst oder Selbstüberschätzung spielen dabei häufig mit und führen vielfach zu irrationalen Entscheidungen. Für den langfristigen Anlageerfolg ist es wichtig, seine Emotionen zu kennen und richtig einschätzen zu können.

Noch wichtiger ist allerdings an der seriös ausgearbeiteten, langfristig ausgerichteten Anlagestrategie festzuhalten und sich nicht von kurzfristigen Trends oder Störfeuer beängstigen zu lassen. Und für Anleger, die erst am Beginn ihres Vermögensaufbaus stehen: Es ist äusserst ratsam, regelmässig und schrittweise zu investieren. Damit reduziert sich das Risiko eines ungünstigen Einstiegszeitpunkt massgeblich.

 

Alessandro Sgro, Chief Investment Officer

Zurück