Zinswende mit Folgen

Die starke und plötzliche Zinswende führte an den Finanzmärkten bei nahezu allen Anlageklassen zu einer Neubewertung und für viele Anleger zu schmerzhaften Performanceeinbussen. Der aktuelle Zinserhöhungszyklus ist aufgrund der weiterhin erhöhten Inflationsraten global noch länger nicht beendet. Die Märkte bleiben auch im aktuellen Anlagejahr schwankungsanfällig. Dennoch bieten sich in einem Umfeld erhöhter Inflation auch Chancen. Der Fokus liegt auf Unternehmen mit einem soliden, innovativen Geschäftsmodell und einer ausgeprägten Preissetzungsmacht.

 

Das Börsenjahr 2022 bleibt vielen Anlegern negativ in Erinnerung. In beinahe allen Anlageklassen resultierten aufgrund der starken Straffung der Geldpolitik deutliche Einbussen. Auch der Diversifikationseffekt funktionierte (vorübergehend) nicht mehr, ein sehr selten auftretendes Phänomen. So fielen nicht nur die Aktienmärkte – was bei einem Zinsanstieg zu erwarten war. Auch Obligationen verzeichneten Performanceeinbussen im zweistelligen Bereich. Je länger die Laufzeiten, desto grösser waren die Verluste. Im Schweizer Obligationenmarkt resultierte mit einem Minus von 12.1 % das schlechteste Börsenjahr seit 1926. Verluste im zweistelligen Minusbereich sind an den Obligationenmärkten sehr ungewöhnlich. An den Aktienmärkten gehören sie dazu.
Historischen Ausmasses und Auslöser dieser Verwerfungen ist die Vehemenz der Notenbanken im Kampf gegen die Inflation – zumindest in den USA und der Schweiz. Der aussergewöhnlich starke wirtschaftliche Aufschwung nach dem Abflachen der Corona-Pandemie, der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie die hohen Unsicherheiten um die Energieversorgungssicherheit führten zusammen mit dem über viele Jahre hinweg übermässig reichlich vorhandenen billigen Geld zu einem massiven Anstieg der Inflationsraten. Die Notenbanken sahen sich weltweit gezwungen, ihre langjährige lockere Geldpolitik aussergewöhnlich stark zu straffen. Seit den 1970er-Jahren wurde die Geldpolitik nie mehr innert so kurzer Zeit derart restriktiv ausgerichtet, wie dies im Moment der Fall ist. Die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (Fed) übernahm einmal mehr die Führungsrolle.
Der aktuelle Zinserhöhungszyklus ist nun 354 Tage alt. Während dieser Zeit erhöhte die Fed den Leitzins in ungewöhnlich grossen Schritten von 0.75 % auf aktuell 4.75 %. Es resultierten insgesamt acht Zinserhöhungsschritte. Anfang 2022 erwarteten die Finanzmärkte für die USA lediglich zwei Zinserhöhungsschritte von je 0.25 %. Für die Eurozone und die Schweiz wurden gar keine erwartet. Dass derart starke und schnelle Zinserhöhungszyklen zu Verwerfungen an den Finanzmärkten führen, ist nachvollziehbar und logisch. Letztmals erhöhte die Federal Reserve ihre Leitzinsen 2004 um 4 Prozentpunkte – allerdings über einen Zeitraum von 729 Tagen.

 

Jahresperformance von Schweizer Obligationen und Aktien seit 1926

Don’t fight the Fed

Das Tempo zur Wiedererlangung der Preisstabilität ist bemerkenswert hoch. Aktuell erwarten einige Anleger, dass der Zinserhöhungszyklus bald wieder beendet und gar ein Zinssenkungszyklus eingeleitet werde. Diese Hoffnung erachten wir als zu optimistisch. Das Notenbankprotokoll der Fed vom Dezember zeigt deutlich, dass einige Fed-Mitglieder vor einer verfrühten Lockerung der Finanzierungskonditionen warnten. Auch der Präsident der amerikanischen Notenbank, Jerome Powell, wählte in seiner Rede am Jahrestreffen der Notenbanken in Jackson Hole deutliche Worte und erklärte den Kampf gegen die Inflation zur absoluten Priorität. Die Vertreter der US-Notenbank erwarten erst 2024 einen Rückgang der Inflation unter den Zielwert der Preisstabilität von 2%. Die Inflationsraten sind global immer noch viel zu hoch. Sie werden auch im aktuellen Jahr voraussichtlich fallen, zum Teil aber deutlich über den Zielwerten der jeweiligen Nationalbanken liegen. Während der Druck auf die Inflation von Seiten der Energiepreise – im vergangenen Jahr der stärkste Treiber der Inflation – aufgrund des bisher milden Winters in Europa etwas abgenommen hat, sprechen strukturelle, langfristige Trends wie die Dekarbonisierung, Deglobalisierung und insbesondere die Demografie für anhaltend höhere Inflationsraten – wenn auch nicht mehr in der Höhe der aktuellen Rekordwerte.

 

 

Starke Performanceeinbusse nach historisch schnellem Leitzinsanstieg in den USA

Die Hüter der Preisstabilität werden alles daransetzen, die Teuerung in den Griff zu bekommen. Der prognostizierte Rückgang der Inflation ist keineswegs sicher, weil neben dem strukturellen Treiber die Geldpolitik und die Fiskalpolitik aktuell gegeneinander arbeiten. Während die Notenbanken versuchen, das Geld zu verteuern und damit der Inflation Herr zu werden, reagieren Regierungen mit Hilfspaketen und stärken damit die Konsumnachfrage. Das stützt und verteuert die Preise von Gütern und Dienstleistungen wieder. Insgesamt fehlen die Argumente sowohl für das Ende des Zinserhöhungszyklus als auch gar für eine Zinssenkung. In den USA bekräftigt der jüngste Arbeitsmarktbericht diese Sichtweise. Sowohl die Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe als auch die Daten der privaten Arbeitsagentur ADP verstärkten den Eindruck eines sehr soliden US-Arbeitsmarktes. Ein robuster Arbeitsmarkt in Kombination mit einem sich (strukturell) weiter verschärfenden Arbeitskräftemangel kann zu weiter steigenden Löhnen führen und damit die Inflation weiter verstärken. Die aktuell wohl zu optimistische Hoffnung der Anleger auf ein baldiges Ende im Zinserhöhungszyklus bietet einiges Enttäuschungspotenzial und dürfte bei entsprechenden Meldungen über die Weiterführung der restriktiven Geldpolitik zu mindestens kurzfristigen Verwerfungen führen. Es gilt in Phasen steigender Zinsen sich nicht gegen die Geldpolitik zu stellen oder wie einer der bekanntesten Ratschläge für Anleger heisst: «Don’t fight the Fed.» Diese Weisheit zählt nicht nur für die amerikanische Zentralbank. Trotzdem zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass praktisch in allen Anlageklassen auch während Zinserhöhungszyklen im Durchschnitt eine positive Performance erzielt werden konnte. Entscheidend ist eine aktive Titelauswahl.

Unternehmen mit Preissetzungsmacht

Global gesehen stehen die Notenbanken an unterschiedlichen Punkten im Zinserhöhungszyklus. Während die amerikanische Notenbank weit fortgeschritten ist, hinkt die Europäische Zentralbank weit hinterher. Sie befindet sich weiter im schwierigen Dilemma zwischen Inflationsbekämpfung und dem Risiko einer Schuldenkrise aufgrund der hohen Staatsverschuldung. Auch die Schweizerische Nationalbank ist noch nicht am Ziel. Das an sich schwungvoll und positiv gestartete Anlagejahr 2023 dürfte schwankungsanfällig bleiben. Dabei stellt sich die Frage, wie sich Anleger positionieren und in welche Anlageklassen sie investieren sollen. Eines vorweg: Auch in schwankungsanfälligen Märkten bieten sich Chancen – insbesondere auch in den Aktienmärkten. Eine grosse Bedeutung kommt dabei der Titelselektion zu. Ein klar strukturierter Prozess bildet eine wichtige Grundlage. In einem Umfeld erhöhter Inflation stehen Unternehmen mit einem soliden, betriebswirtschaftlich nachhaltigen und innovativen Geschäftsmodell im Fokus. Sie verfügen über eine starke Marktstellung. Ihre Produkte und Dienstleistungen sind begehrt und wohl unverzichtbar, weshalb die Unternehmen über eine Preissetzungsmacht verfügen. Konkret zeichnen sich Unternehmen mit Preissetzungsmacht durch hohe Rohertragsmargen und Bruttomargen aus. Je höher die Rohertrags- und die Bruttomarge, desto grösser der Spielraum, in schwierigen Phasen zu reagieren und insbesondere weiter in Innovationen zu investieren und damit die Wettbewerbsposition zu stärken. Eine über dem Durchschnitt liegende, stabil hohe EBIT-Marge lässt letztlich auf eine robuste Preissetzungsmacht schliessen. In Zeiten steigender Zinsen hilft es zudem, über eine tiefe Verschuldung zu verfügen. Das Verhältnis zwischen den Nettoschulden und dem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Net Debt / EBITDA) zeigt dabei die operative Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Ist dieses Ergebnis kleiner als 1, ist es als sehr gut einzustufen. Unternehmen mit einer soliden Bilanz und geringer Verschuldung verschafft dies in schwierigen Marktphasen deutlich mehr Handlungsspielraum.

Der (positive) Zins ist zurück

Mehr Handlungsspielraum bietet sich in einer wiedergeborenen Anlageklasse wie den Obligationen. Während Jahren galt die Devise «There is no alternative». Das Negativzinsumfeld machte Aktien nahezu alternativlos. Durch die Erhöhung der Leitzinsen bieten sich nun auch am Obligationenmarkt wieder Chancen. Bereits heute befinden sich die Verfallsrenditen von Schweizer Obligationen mit Investment Grade mit rund 2 % wieder auf dem Niveau von 2011. Das macht Investitionen in festverzinsliche Instrumente wieder attraktiver – auch gegenüber Aktien. Der Fokus sollte auf qualitativ hochwertigen Obligationen liegen.

 

 

Schweizer Obligationen rentieren wieder so gut wie zuletzt 2011

Zeitenwende für die Kapitalanlage

Die starke und plötzlich eingesetzte Zinswende stellt eine Zeitenwende für die Kapitalanlage dar. Aktuell befinden sich die Märkte noch in einer Findungs- und Gewöhnungsphase und reagieren sehr sensitiv auf neue Informationen. In dieser Phase gilt es kühlen Kopf zu bewahren und seiner langfristigen Anlagestrategie treu zu bleiben. Sobald das Gleichgewicht im Markt wiedergefunden worden ist, stellen sich die gewohnten Mechanismen und Entwicklungen wieder ein.
Entscheidend werden in diesem Jahr die Entwicklung der Inflation und die entsprechenden Massnahmen der Nationalbanken sein. Wir gehen zwar von fallenden, aber weiterhin historisch höheren Inflationsraten aus. In diesem Umfeld schnitten in der Vergangenheit Obligationen und Aktien am besten und das Edelmetall Gold am schlechtesten ab. Auch wenn die vergangene Entwicklung kein Indikator für die zukünftige Entwicklung sein muss, ist eines klar: Der Titelauswahl kommt in volatilen Phasen besondere Bedeutung zu. Letztlich gilt es qualitativ hochwertige und preiswertige Unternehmen zu selektieren, die von starken, strukturellen, übergeordneten Trends profitieren und über ein positives Momentum oder umgangssprachlich «über einen guten Lauf» verfügen. Genau dies ist der Anspruch der Cronberg-Anlagemethodik.

 

Alessandro Sgro, Chief Investment Officer

(Dieser Artikel erschien am 19. Januar 2023 erstmals und wurde am 6. März 2023 aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der Geldpolitik aktualisiert)

 

 

Insight Cronberg Asset Management

Cronberg Global Equity Fund schlägt sich im Jahr 2022 trotz Marktturbulenzen ordentlich

Nachdem über viele Jahre das Paradigma «TINA» (es gibt keine Alternative zu Aktien) vorherrschte, hat sich die Ausgangslage nach dem Renditeanstieg bei den Obligationen verändert. Erstmals seit vielen Jahren gibt es diese Alternativen wieder, und dies führte dazu, dass festverzinsliche Anlagen gegenüber Aktien an Attraktivität gewonnen haben. Das Zinsniveau spielt eine zentrale Rolle in Aktienbewertungsmodellen. Bei Unternehmen mit hohen Wachstumsraten werden deshalb die mehrheitlich in der Zukunft liegenden Erträge mit einem höheren Zinssatz diskontiert, und daraus resultiert eine tiefere Aktienbewertung. Inhaber von Wachstumsaktien werden das Börsenjahr 2022 deshalb in negativer Erinnerung behalten.


Gemessen am MSCI AC World Index Growth haben diese Aktienwerte in Schweizer Franken ‒28.27 % an Wert eingebüsst. Weil unser Selektionsprozess qualitativ hochwertige Wachstumsaktien bevorzugt, konnte sich beispielsweise auch der Cronberg Global Equity Fund -R- diesem Trend nicht entziehen. Er schloss das Jahr mit einer Gesamtperformance von ‒26.21 % ab, rund +2 % besser als eine vergleichbare passive Anlage. Nach der Korrektur bei den Aktienkursen sind wir der Meinung, dass die Bewertungen das veränderte Umfeld mit höheren Leitzinsen angemessen einpreisen. Als Kurstreiber wird 2023, nebst den Erwartungen an die Inflation und Zinsen, vermehrt wieder die Entwicklung der Unternehmensgewinne in den Vordergrund treten. Wir sind davon überzeugt, dass unser Anlagemodell auch in Zukunft eine solide und robuste Performance erwirtschaften wird.

Daniel Schnyder, CFA, Relationship- und Portfoliomanager

 

Cronberg-Anlagemethodik

Die Cronberg-Anlagemethodik setzt darauf, Aktien mit stetiger Performance und tiefem Risiko zu selektieren – und dies unabhängig vom aktuell vorherrschenden wirtschaftlichen Umfeld. Ein Raster an bekannten und bewährten Kriterien unterstützt in der Auswahl von hochwertigen und soliden Unternehmen, die über ein gutes Momentum verfügen und so die Möglichkeit bieten, gegenüber dem Gesamtmarkt eine Mehrrendite zu erzielen.

 

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